Staubsaugertod ...und ein Leben danach...    

 

Ein Samstagmorgen im Februar, zwei Grad, trocken, bedeckt. Wie seit Jahr und Tag jeden Samstag fuhren Michael und ich früh gegen acht Uhr zu Aldi, dann geht der Einkauf schnell und wir schlendern noch kurz durch die Angebote. Ich drängel immer, weil ich Hunger und Freude aufs Frühstück habe. Heute waren wir so spät, dass wir noch nicht einmal geduscht haben. Also freute ich mich auch noch auf die Dusche.

 

Während Michael die prall gefüllte Kiste mit den Leckereien aus dem Kofferraum holte, lief ich vor, schloss die Haustüre auf – und – stand im Wasser!

 

Hörte das orgelnde Geräusch von R2D2, unserer Enthärtungsanlage, die unter der Treppe steht und sich samstags um Punkt 9.00 Uhr reinigt, mit 60 Litern Wasser. Das Geräusch klang anders als sonst. R2D2 hatte so etwas wie Schluckauf oder Erbrechen, gar eine Verstopfung, denn er spuckte das ganze Wasser in unseren Flur.

 

Wo, verdammt, ist der richtige Hahn, um das Wasser abzustellen? Michael fluchte, öffnete alle Schränke und fand endlich den richtigen Hahn. Stille. R2D2 schwieg.

 

Schnell holte ich einen Eimer und Tücher. Während Michael das Wasser, was ins Wohnzimmer zu laufen drohte, aufnahm, rief ich bei Gebrüder Nolden, der Sanitärfirma an, die die Enthärtungsanlage eingebaut hatte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Nur das Freizeichen erklang. Ich rief meine Freundin Ute im Ort an, aber nicht Ute, sondern ihre 95jährige Mutter Utemama ging an den Apparat und erklärte, Ute sei mit Henry gerade in den Wald gegangen. „Utemama, hast du eine Handynummer von Nolden?“ „Nein, ich glaube nicht. Rufe Ute auf dem Handy an, das nimmt sie immer mit.“ Fehlanzeige. Ute hat ihr Handy nicht mitgenommen. Im Wald sollte man Vogelgezwitscher genießen dürfen.

 

Wieder probierte ich die Festnetznummer der Firma Gebrüder Nolden.

 

Michael wollte einen Kaffee, aber der Wassertank der neuen Maschine war leer, das Wasser war abgestellt. Prima. Es gab noch nicht mal eine Tasse Kaffee zur Stärkung auf diesen Schrecken. An frühstücken war gar nicht zu denken.

 

Michael arbeitete systematisch und unermüdlich, um das Wasser aus dem Flur zu entsorgen, ich war beeindruckt. Endlich ging bei Nolden der Anrufbeantworter an, ich sprach meine Bitte für dringende Hilfe auf. Dann ging bei mir das Telefon, Utemama war dran, sie war ganz froh, denn sie hatte in ihrem persönlichen Notizbuch eine Handynummer von Nolden gefunden. Ich bedankte mich überschwänglich, endlich war Rettung in Sicht. Sofort rief ich diese Nummer an und erzählte einer netten Dame namens Nolden meine Situation. In allen Farben schilderte ich dieser freundlichen Frau, die ich kaum zu Wort kommen ließ, meine Bedrängnis, sie erklärte mir dann im dritten Versuch, meinen Redefluss zu stoppen, ich sei falsch verbunden, sie sei nicht die Sanitärfirma, auch nicht verwandt, nur mit der Namensgleichheit, und so Leid es ihr tue, aber sie könne mir nicht helfen, beim besten Willen nicht.

 

Oh. Ich begriff, bedankte mich, entschuldigte mein Eindringen in den Ablauf des Samstagvormittags der nicht mit Sanitär Nolden verbandelten Frau und wünschte einen supersonnigen, gesegneten Tag. Wir lachten und fanden es inmitten des Wasserchaos gut! Punkt, Komma, Kaffee! Bitte jetzt!

 

Wieder rief ich die vermaledeite Nummer Nolden an, in dem Moment, in echt, erklang die Melodie „Haus des Geldes“ bella ciao unserer Haustürklingel, ich öffnete, und ein älterer, voll netter Herr stand da in Arbeitskluft und sagte: „Sie haben angerufen, wir haben seit gestern einen Telefonterroristen, wir gehen nicht mehr an den Apparat.“

 

Mein Michael schwächelte zusehends wegen des körperlichen Notfalleinsatzes und Kaffeeentzuges. Doch der reizende Herr Nolden, der Ältere, in seiner ruhigen, kompetenten Art, ließ sich alles erklären, die Garage öffnen, und sah sofort den Zusammenhang zwischen R2D2 und der extremen Kälte, die uns über eine Woche heimgesucht hatte. Eine Ablaufleitung war in der Garage erfroren. Das war die Ursache.

 

Eine Überbrückung half, wir hatten wieder Wasser, sodass wir Kaffee kochen, duschen und frühstücken konnten, derweil Herr Nolden d.Ä. zum Großhandel fuhr, um ein spezielles Ersatzteil zu besorgen. Selten habe ich ein Frühstück derart genüsslich zu mir genommen!

 

Wir räumten dann das Chaos unter der Treppe auf, unser lieb gewonnener Staubsauger Hans Dieter, kurz Hadi genannt, hatte nicht nur nasse Füße, sondern eine beträchtliche Wasseransammlung im Bauchraum. Michael versuchte ihn wiederzubeleben, als Arzt für Zweibeiner war er hier mit seinem Latein am Ende, leider! Hadi mit seiner neun Meter langen Schnur hatte uns immer gute Dienste erwiesen.

 

Ein kurzer Schnaufer von Hadi entließ kaum zu beschreibende Blähungen, Fäulnisgase, die ich euch zu riechen nicht wünsche, es stank entsetzlich. Seine Eingeweide gaben alles von sich, was sie jahrelang an Unrat von uns hatten klaglos schlucken müssen.

 

Wir hielten ihm Schlauch und Kabel, er verstarb recht schnell an der Wasseransammlung in seinem Bauchraum. Er ist innerlich ertrunken, erstickt sozusagen. So lautete Michaels Diagnose für Staubsauger.

 

Eine intensive Internetrecherche hinterließ im Hause Segschneider Kuss einen Wirrwarr von zukünftigen Staubsaugermöglichkeiten. Montags kam unsere Perle Nadine und schwärmte von ihrem krümelfressenden Dyson, mit diversen Zusatzteilen, mit Akku, also kabellos! Ohne Beutel.

 

Ich war raus aus der Nummer, malte im Atelier still vor mich hin, trauerte um Hadi, und hatte keinerlei Verständnis für diese pietätlose schnelle Ersatznummer wegen einiger Staubflocken, die sich im Hause ansammelten. Nach 23 Minuten war der Dyson Deal perfekt, bestellt, bezahlt.

 

Herr Dyson wurde, wie wohl, nach wenigen Tagen natürlich von amazon geliefert. Michaels Kind im Manne baute ihn gleich zusammen, schon schick in kupfrigem Gold und probierte ihn gleich aus. Er war begeistert, besonders ein durchsichtiger, beleuchteter, lilafarbener Saugarm für Sternenstaubkriege auf 45 Grad zum Himmel gerichtet, ließ Michael zum Staub-Kämpfer mit Laserschwert avancieren. Sein glücklicher Gesichtsausdruck, also der von Michael, sprach Bände!

 

Ich lief zuerst - „technophob“ steht in meinem Personalausweis -, tagelang um das neue Gerät herum,  ließ es mir von Nadine erklären, nickte zu allem , so als ob ich es verstanden hätte und dann, ich war alleine im Haus, schritt ich zur Tat.

 

Der Dyson und ich!

 

Wie eine giftige Schlange trug ich ihn an ausgestrecktem Arm vor mir her ins Wohnzimmer, holte tief Luft und betätigte den Schalter. Er funktionierte und saugte, selbst bei mir. Ich war überwältigt!

 

Nun übe ich häufig, selbst kleine Ansammlungen von Schmutz oder Essensresten werden unverzüglich in den durchsichtigen Bauch des Dysons gesaugt. Fairerweise muss ich gestehen: der neue Dyson ist toll und gelenkig, aber er hat für mich persönlich einen entscheidenden Nachteil. Er pustet Wind! Und ich bin extrem windempfindlich...

 

Nacktsaugen ist out, zumindest trage ich nun beim Saugen Schal und Mütze.


Julius

 

„Hallo Maria! Ehm. Ich wollte fragen, weil ich hatte in Reli so eine Aufgabe, da sollten wir ein Bild der Schöpfung malen. Ich wollte fragen, ob du das mit mir malen willst, weil du dich mit der Schöpfung ja so gut auskennst. Ciao!“

 

 Diese WhatsApp Sprachnachricht hörte ich mir gleich zweimal an, Julius ist 8 Jahre, aber kurz vor 9, wohnt mir schräg gegenüber im Neubaugebiet und ist mein kleiner Freund. Sieht er mich, ruft er laut: „Hallo Maria!“ Auch dreimal am Tag.

 

Nun diese Anfrage, die mein Herz ganz weit und froh machte. Ich dachte nach, dann bat ich im himmlischen Büro, Abteilung 3. Klasse Religion um Unterstützung. Thema „Schöpfung als Bild gemalt“.

 

Die Antwort kam umgehend. „Schau in dein Regal! Vierte Reihe von unten, ziemlich links!“

 

Ein Buch mit dem Titel „Schöpfung“. Sofort brachte ich es zu Julius. Er öffnete die Haustüre. Ich bedankte mich für seine Bitte.

„Ich kann das nicht alleine.“

Ich wies auf einen Grashalm hin. „Julius, das ist Schöpfung!“

Ich zeigte auf das frisch gepflanzte Sternmoos im Vorgarten. „Julius, das ist Schöpfung!“

Ich wies auf Julius. „Du bist Schöpfung!“

„Ich weiß.“

„So, hier ist ein tolles Buch zum Thema, du suchst dir drei Bilder aus, legst Zettel rein, dann kommst du rüber, wir suchen das beste Bild aus und malen zusammen. Bis gleich.“

„Ich muss zuerst Mathe und Deutsch machen. Das dauert!“

 

Mittags klingelte er, gab mir das Buch mit den Zetteln und sagte: “Ich muss erst mit Papa zum Frisör, danach komme ich, dann kannst du vorher schon mal gucken.“

 

Julius kam. Schuhe aus. Maske an. Ab ins Atelier. Hier wurde erst einmal geschaut. „Ich war lange nicht mehr hier. Wer ist das auf dem Foto?“  „Mein Papa, der war auch Künstler.!

 

Julius kam an. „Welches Motiv hast du ausgesucht?“

„Ich habe drei Bilder ausgesucht.“

 

Vulkanausbruch. Blumenwiese. Schildkröte.

„Welches möchtest du denn malen?“

„Alle drei.“

 

Oh. Eine Diskussion sparte ich mir. Julius guckt dann mit so viel Willenskraft und Kampfgeist, das ist wie eine nonverbale Ansage. Nun mussten wir Gas geben. Zuerst den Vulkan. Eine Nachtaufnahme eines wilden Vulkanausbruchs mit rotglühender Lava. Schemenhaft entfernte Berge und einige schummrige Wolken. Da hatte ich eine Eingebung. Schnell holte ich einen riesigen schwarzen Bogen Tonpapier, faltete und riss ihn in Julius Wunschgröße. Der junge Mann hatte sehr klare Vorstellungen. So liebe ich das und liefere dann gerne das entsprechende, dem Ergebnis zuträgliche Material. Mit einem hellen Stift legten wir die Konturen fest. Um das Ganze zu beschleunigen und zu vereinfachen schnitt ich eine Schablone, diese nutzten wir als Grenze zwischen schwarzem Berg und Feuer sprühender Lava. Julius legte in orange, rot und neongelb los und war völlig vertieft. Die geheimnisvoll anmutenden Wolken in Graugrüntönen zauberten wir mit einer kleinen Rolle. Das ging zügig, machte Spaß und sah zudem megagut aus.

 

Bei achtjährigen, hochmotivierten Jungs, die mit Ansage drei Bilder an einem Mainachmittag in Bergheim-Glessen kreieren wollten, galt es, möglichst schnell zu phänomenalen Ergebnissen zu kommen. Da musste ich als Lehrerin für Malerei alle Register ziehen.

 

Ich hatte mittlerweile meine Standleitung zum himmlischen Büro in Sachen Malen der Schöpfung drittes Schuljahr aufgebaut. Ein bezaubernder Engel half mir mit Ideen, wie mit der Wahl des schwarzen Papiers anstelle des üblichen Zeichenblocks.

 

Bei der Entstehung des ersten Motivs in kürzester Zeit hatten wir uns selbst überholt. Bei der Blumenwiese holte ich automatisch mehrere grüne Bögen, diesmal in überschaubarer Größe DinA4. Julius wählte eine Farbe aus. Tupfer mit kleinen Pinseln in gelb, orange, grün und rot ließen eine blühende Wiese, von vorne nach hinten kleiner werdend, erahnen. Das Thema Farbperspektive floss am Rande mit ein. Hier arbeitet Julius völlig selbstständig. Und erklärte:

„Fertig!“ Und wieder sollte er die Augen schließen, während ich in einige Meter zurücktrat und sein Bild vor mir hielt. „Augen auf!“ Strahlende Kinderaugen, was gibt es Schöneres?

 

„Maria, der Papa hat dich morgens gesehen, da kamst du vom Laufen und hast dich in deinem Vorgarten hingekniet und hast deine Blumen angebetet.“

„Ich habe die Blumen nicht angebetet, ich habe mit ihnen gesprochen. Der Seidenbaum hat noch keine Knospen und ich habe ihm gesagt, er soll doch bitte Blätter wachsen lassen! Und den blühenden Blumen habe ich gesagt, wie schön sie sind!“

 

Zum Höhepunkt betrachteten wir genau die Schildkröte, es war das mit Abstand anspruchsvollste Motiv und überlegten, wie wir das hinbekommen könnten.

„Julius, komm wir flitzen nach oben ins Dachgeschoss, dort habe ich zwei echte Schildkrötenpanzer. Die gucken wir uns genau an, dann fällt das Malen leichter.“

Auch hier wurde zunächst geschaut und nach den Menschen auf den Fotos und nach dem gemalten Drachen gefragt. Dann faszinierten die Panzer, sie zu betrachten und anzufühlen war schon beeindruckend, einen nahmen wir mit ins Atelier.

„Wo hast du den her, Maria?“  „Mein Papa war im Krieg und danach in Südamerika in Kriegsgefangenschaft. Von dort hat er eine Schlangenhaut und die beiden Schildkrötenpanzer mitgebracht.“

 

Ein weiterer Bogen in schwarz wurde nun von Julius mit hellem Stift vorgezeichnet, die Schuppen auf den Gliedmaßen mit Kreisen gestaltet. Zwischenräume malte er mit einem braunen Buntstift rasch und genau aus. Ich lobte und motivierte immer wieder.

„Den Hintergrund machen wir wieder mit der Rolle!“, entschied er ganz selbständig.

 

Bei unserer abschließenden Bildbetrachtung, die Bilder standen auf Staffeleien, leuchteten Julius Augen, er war hochzufrieden mit seinen Werken. Drei Originale, die es vorher nicht gab, waren entstanden, und das in nur zwei Stunden.

„Deine Eltern werden staunen“, sagte ich. Und freute mich über diesen gelungenen Nachmittag. Der impulsgebende Engel klatschte mit den Flügeln.


Corona-Momente

 

Im Kreishaus des Rhein-Erft-Kreises in Bergheim wurde für den heutigen Sonntag eine Vernissage abgesagt.

Meine Freundin Ruth erfuhr von der Absage ihrer Reise, Venedig wurde zum Sperrgebiet erklärt, die Reise fiel ins Wasser.

Die Tagesschau berichtete von einem deutschen Urlauber, der in Ägypten dem Coronavirus erlag.

Im Iran ist das Virus stark verbreitet, 200 Tote, Schulen und Universitäten sind geschlossen. Wirtschaftliche Folgen sind noch nicht absehbar.

Philip, der Sohn meiner Freundin Ute, arbeitet in der Donatusschule für Behinderte in Brauweiler. Diese Schule wurde geschlossen, Philip hat zwei Wochen häusliche Quarantäne.

Mein Freund ist Allgemeinmediziner und die für Hausarztpraxen angeratene Schutzkleidung des Personals ist schlichtweg zu teuer, er hat nur Masken bestellt.

Veranstaltungen über 1.000 Personen sollten abgesagt werden.

Im Seniorenheim besuchte ich Matthias, den neuen Künstlerkollegen, den ich vor kurzem kennenlernte. Ich hatte Farben und Aquarellpapier für ihn. Wir mussten uns ins Foyer setzten, die Nutzung der Cafeteria ist den Bewohnern verboten. Desinfektion beim Kommen und Gehen ist Pflicht. Ich berührte versehentlich eine Türklinke und wurde darauf hingewiesen, mit dem Ellbogen den Schalter für die Automatiktüren zu berühren.

Bei einem Treffen des Kunstvereins gab es nicht wie üblich Umarmungen bei der Begrüßung. Körperweite Grußformen wurden bevorzugt.

Die Commerzbank schrieb mir einen langen Brief, in dem außerplanmäßig über die Entwicklung an den Kapitalmärkten sowie die hiervon ausgehenden Auswirkungen auf mein Portfolio informiert wird. Anleger sollten Ruhe bewahren.

Ich auch.

Bei Whatsapp kursieren witzige Vorschläge zu selbst gebastelten Schutzmasken, eine halbe Apfelsine incl. Vitamin C, eine Melitta Kaffeefiltertüte, das Beste war ein englischer Souvenirladenbesitzer, der einen Damenslip mit dem Motiv des Union Jack feilbot, der Herr zog seinen Hut aus, setzte den Slip verkehrt herum

über Nase und Mund, zog die Bänder hinter die Ohren und komplettierte sein Outfit wieder mit dem Hut, „Three slips 3,99!“

Ein Kollege meines Freundes arbeitet im Gefängnis, dort trat ein Fall von

Corona auf, und durfte nun den Ort seiner Quarantäne wählen zuhause oder in einer Zelle. Um seiner Familie Normalität zu ermöglichen, wählte er die Zelle.


Wünsche an das Universum

 

Halsschmerzen, Erschöpfung, Watte im Kopf, da bahnt sich etwas an, dass ich jetzt überhaupt nicht brauchen kann – ausgerechnet  in der Vorweihnachtszeit. Allein der Gedanke an alle Termine, Versprechungen und Vorhaben sendet die klare Botschaft an den zarten Körper: nein, jetzt nicht, wenn es denn unbedingt sein muss, dann später, aber bitte, viel später, eventuell passt es Mitte Januar oder zur Karnevalszeit.

 

Diese Bitte verpasst den Empfänger, da prangt ein riesengroßes BESETZT-Zeichen an der für ankommende grippale Infekte zuständigen Himmelstür. Okay, dann versuche ich es morgen zu den bekannten Bürozeiten erneut. Oder ob die da oben einen E-Mail-Account haben? Und falls ja, wer hat die Anschrift?

 

Das Unwohlsein wird stärker. Hm, stündlich ein homöopathisches Mittel einnehmen, früh ins Bett mit Ingwertee, das alles muss doch helfen und morgen bin ich wieder ganz die Alte. Hoffte ich. Tagelang nur mit halber Kraft schaffe ich gerade noch das Malen mit den Behinderten, die mir so ans Herz gewachsen sind, die Malkurse, selbst die wunderschöne Weihnachtsfeier mit dem überraschenden Auftritt des Nikolaus.´ Dann ist es erreicht, das Ziel, das der Körper schon länger im Sinn hat: Ruhe.

 

Und zwar Bettruhe. Nichts-tun - gar nichts! – war angesagt. Höchstens Tee kochen und ihn wieder wegbringen. Ein wenig lesen. Schlummern.

 

Erst Vormittag, was? Da ist erst ein halber kranker Tag und ich bin immer noch nicht fit. Lieber Gott, da liege ich nun brav hier und ich habe zwei Wünsche an Dich. Ich hätte gerne einen grünen Salat und eine Fernsehzeitung!

 

Mittags gehe ich abermals runter in die Küche, um mir erneut Tee zu kochen. Da höre ich das Geräusch der Mülltonne, die auf mein Grundstück gezogen wird. Ich schaue neugierig aus dem Fenster und sehe meine liebe Nachbarin, die sich entschlossen meiner Haustür nähert. Ohne Mülltonne, die hatte sie schon an Ort und Stelle gebracht, ich hatte es ja vergessen.

 

Ich öffne die Tür und begrüße Hannelore im Bademantel: „Das hab ich mir doch gedacht, da hat Heinz-Hubert ja Recht gehabt. Er sagte, Klingel´ mal bei Maria, da ist etwas nicht in Ordnung. Du bist krank! Was brauchst du?“

 

Ach, Hannelore, wenn du mich so fragst, ich hätte so gerne einen grünen Salat, irgendetwas Frisches.“

 

Ja, der Holger macht heute seinen Spezialsalat, wir liefern um 13 Uhr, da ist auch Rapunzel bei.“

 

Wunderbar, ich freue  mich und die Zeit im Bett vergeht mit knurrendem Magen noch langsamer. Dann aber schmeckt der Salat vorzüglich und weckt die Lebensgeister. Nachmittags rufe ich die Nachbarn an und bedanke mich. „Brauchst Du noch etwas, was wir dir besorgen können, wir können dir auch in der Apotheke Medikamente holen.“

 

Ach, Hannelore, wenn du mich so fragst, ich hätte so gerne eine Fernsehzeitung!“

 

Der Holger hat uns gestern die neue HÖRZU Jubiläumsausgabe geschenkt, die brauchen wir nicht, Heinz-Hubert bringt sie dir in zwei Minuten!“

 

Da laufen mir echt die Tränen vor Dankbarkeit und Rührung die glühenden Wangen runter:

Vater, Dein Universum funktioniert!

 

Weitere Tage in der Horizontalen vergehen, ich werde unruhig und auch ein wenig unwillig, hadere. Und mich reizt ein Gedanke, ein geradezu herausfordernder: Lieber Gott, ich bin es wieder, die mit dem Salat und der Zeitung. Das hat ja alles prima geklappt, nun hätte ich gerne frische Blumen!“

 

Echt, ungelogen, eine Stunde später , ich koche wieder Tee, klingelt es an der Tür, ich sehe schemenhaft einen älteren Herrn mit Hut, vom Badezimmerfenster erblicke ich die dazu passende Dame und erkenne das Ehepaar, öffne im Schlafanzug. Strahlend blicken mich die beiden an, strecken mir eine tiefrote tolle Amaryllis mit Kiefer gebunden entgegen und ein Glas mit Lebkuchen, selbstgebacken: Guten Morgen, Frau Segschneider, Sie haben uns zweimal mit Blumen so eine Freude gemacht, nun möchten wir Ihnen eine machen!“